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Mögen die Spiele beginnen

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Der wahre Blick ins Stadtarchiv macht es natürlich noch viel schlimmer. Die Institutionen des Kölner Karnevals (Sitzungs-Haha, Herrscherclown, Umzüge) wurden vor 200 Jahren von Kölner Bürgern gar nicht gegen die neuen Herrscher aus Preußen angelegt, sondern richteten sich gegen den damaligen Partypöbel. Der sollte eingehegt werden. Band 9 der Kölner Stadtgeschichte aus dem Greven-Verlag (Köln in preußischer Zeit) zitiert einen Juristen als Zeitzeugen, der berichtet, „die rohe Volksklasse“ sei „in Vermummungen auf den Straßen umhergezogen, welche nicht selten den Schönheitssinn beleidigten, und so die gebildetere Klasse von aller Theilnahme ausschloß“. Den servilen Herrschaften des sich ehrlicherweise selbst so nennenden FESTORDNENDEN KOMITEES war es zu peinlich, was das besoffene Volk da alljährlich verkleidet und verlustierend an Mummenschanz auf den Straßen aufführte. Erste hygienische Maßnahme: Frauen raus. Die durften nicht in die Versammlungen, nicht auf die Bühne und nicht in den Zug.

Der angeblich antipreußische Charakter des Karneval ist vermutlich ein Mythos. Die Preußen hatten 1823 gar nichts dagegen, die Feierei in geordnete Bahnen zu lenken. Sie gestatteten Straßenkarneval an drei Tagen. Alle Maskierten hatten eine Ausweiskarte bei sich zu tragen, die sie bei der Wohltätigkeitsverwaltung für drei Silbergroschen erhielten. Die Karnevals-Uniformen wurden nicht so klar als Karikaturen auf militärisches Gehabe verstanden wie heute. Stadthistoriker erkennen eine Anspielung auf die verlorene Selbstständigkeit Kölns und ihrer Institutionen als Reichsstadt. Eigene Uniformen hatte man als Provinzpreuße ja nun nicht mehr. Die einheitliche Narrenkappe dazu hat gar ein preußischer Offizier vorgeschlagen.

Die heutigen Oberen, die sorgengeplagt auf die feierwütige Masse blicken, kommen auf andere Ideen. Sie sperren eine beliebte Straße bis auf ein, zwei Zugänge und beklagen anschließend das unwürdige Gedränge. Als ob es sich bei dem Menschenstrom um Hochwasser handle, wird eine Ausweichfläche im Park ausgewiesen. Die grüne Partei, deren Sorge allein dem Rasen gilt, sorgt dafür, dass die sonst klamme Stadt 500.000 Euro rausschmeißt, um die Wiese mit Platten vor Trampelspuren zu schützen. Mit einer Idee, die aus Calvins lustfeindlichem Genf stammen könnte, konnten sich die Ökopreußen in Köln aber nicht durchsetzen: der Forderung, den auf der Uniwiese mit dem Segen der Obrigkeit Feiernden Alkohol und Musik zu verbieten.