Der Immobilienmarkt nennt’s ein angesagtes Viertel: bunt, lebendig, quirlig, hip. Diese Begriffe aus der Welt der Makler und Immoscouts muss ertragen, wer in Ehrenfeld eine Wohnung sucht oder einen Laden mieten möchte. Weil immer mehr einkommenstarke Bevölkerungsqruppen dem Glauben verfallen, dieses ehemalige Kölner Arbeiter- und spätere Armenviertel sei irgendwie special, finden Immobilieneigentümer immer öfter jemand, der ihre Preisvorstellungen erfüllen mag. Die steigen und steigen. Ein Café zu mieten, kostet heute das Dreifache wie vor 15 Jahren. Gleiche Fläche, dreifacher Preis. Der befristete Gewerbemietvertrag wird alle paar Jahre mit dem Argument angepasst, die Kaufkraft in Ehrenfeld sei doch gestiegen: dank all der hippen neuen Leute aus dem Akademikermilieu. Hinzu kommt die Stadt, die für die Außengastro beherzt abkassiert.
Was die Preistreiber nicht erwähnen, ist die herrschende Enge und die mangelnde Qualität der Bausubstanz. Anders als in den von Alleen durchzogenden Gründerzeitvierteln Berlin-Prenzlauer Berg, Leipzig-Lindenau oder Chemnitz-Kaßberg gibt es in Köln-Ehrenfeld keine breiten Straßen und keine beeindruckenden ausbaufähigen Altbauten, die einer Wiederbelebung harren. Was an Altbau da ist, nennt sich Drei-Fenster-Haus, was auf die beschränkte Größe der Wohnungen hinweist, im Durchschnitt unter 60 Quadratmeter. Fiel der Bau in die Nachkriegszeit, sind die Wände so dünn, dass man den Nachbar schnarchen hört. In den 70er-Jahren galt diese Bausubstanz als so lausig, dass der Stadtteil zum Abriss vorgesehen war. Man nannte das Flächensanierung, zu der es dann doch nicht kam. Stattdessen förderte die Stadt Köln mal einen Lückenschluss, dort einen Kindergarten, da ein Kulturprojekt. An der Bausubstanz änderte das wenig, auch wenn die meisten Ehrenfelder Mieter heute immerhin in ihrer Wohnung pinkeln können statt dafür runter müssen auf die halbe Treppe.
Wie es wirklich um die Immobilie Ehrenfeld bestellt ist, befindet der städtische Abschlussbericht des Sanierungsprojekts Ehrenfeld-Ost, der nach 20 Jahren städtischer Sanierungsmühen ehrlicherlicherweise feststellt: „Eine besondere Eigenart des Sanierungsgebietes sind die kleinteiligen Flurstücke, die starke Überbauung der Blockinnenbereiche und dadurch bedingt der Mangel an ausreichenden Grün- und Freiflächen … Trotz deutlicher Substanzmängel genießt das Quartier eine steigende Attraktivität als Wohnstandort mit urbanen Qualitäten.“ Seitdem entwickelt der Hype das Viertel weiter. Mithilfe von Niedrigzinsen und Stadtteilmarketing hat die Immobilienwirtschaft geschafft, was unmöglich schien: Brösel als Betongold glitzern zu lassen.