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Das Cover der neuen Kölner Gartenordnung verrät auf den ersten Blick, wie viel oder wenig Sachverstand und Sorgfalt in der Broschüre1 stecken. Am betriebenen Aufwand lag es nicht. Ein Jahr länger als geplant feilten Vertreter aus Lokalpolitik, Amtsstuben und Naturschutzverbänden an Hunderten Paragrafen, um die Gartenordnung wieder einmal zu überarbeiten. In ihr steht, was Kleingärtner auf ihrer gepachteten Parzelle tun dürfen, sollen, müssen und was nicht. Explizit ausgeschlossen von der Mitarbeit haben die beteiligten Volksvertreterinnen und Volksvertreter im Ratsausschuss „Umwelt, Klima und Grün“ die Kölner Kleingartenvereine und deren Mitglieder. Kein Vereinsvorstand und keine Pächterin durfte mitentscheiden. Mit diesen Leuten, die über die mögliche oder unmögliche Umsetzung von Gartenvorschriften in der Praxis Bücher schreiben und Lieder singen könnten, wollten sich die Grünen nicht an den Tisch setzen. Ihre Graswurzeldemokratie wächst von oben.

Nach zehn Jahren, so die Absicht der Reformgeister im Stadtrat, mochte man das Regelwerk für die 13.000 Kleingärten in der Stadt auf die Höhe der Zeit bringen, was auch immer das heißen mag. Giftverbot, Vogelschutzzeit, Kompostiergebot und Artenschutz standen jedoch längst schon in der Gartenordnung. Wie also könnte man die Kleingärten noch „ökologischer“ machen, wie man es sich als Ziel formuliert hatte? Ideen wie das Verbot von Benzinrasenmähern, die Vorschrift einer Nisthilfe oder ein Blühwiesen-Zwang wurden allen Ernstes diskutiert. Auch wenn sich nicht alles davon in der Endfassung wiederfindet, haben die Stadträte genug Buchstaben zu Papier gebracht, um sagen zu können, sie hätten was getan. Und weil sie ihre Paragrafensammlung vor Verabschiedung zwei Wochen lang zum Kommentieren ins Netz stellten, können sie sagen, sie hätten die Öffentlichkeit beteiligt.

Die neuen Regeln der Gartenordnung fallen nun genau so weltfremd aus, wie zu befürchten war. Statt die wesentlichen Kriterien klar, verständlich und rechtssicher zu formulieren und einige unnötige oder unpraktikable Vorschriften zu tilgen, gibt es jetzt doppelt so viele Seiten wie vorher, ein pralles Füllhorn an Detailvorschriften. Allein die Bauvorschriften sind verdoppelt worden. Auf drei neuen Seiten findet sich eine Liste mit Pflanzen, die kaum ein Laie kennt und die selbst von Wertgutachtern bei Pächterwechseln nicht zuverlässig erkannt werden. Sie sind jedenfalls verboten. Kirschlorbeer ist nicht dabei, Lorbeerkirsche schon. Aha.

Diese Regelungsorgie hält die verantwortlichen Stadträtinnen und Stadträte nicht davon ab, das Ergebnis ihrer unprofessionellen Textarbeit wahrheitswidrig als Liberalisierung zu verkaufen und als Entschlackung, und die lokalen Pressevertreter transportieren das in aller Ahnungslosigkeit über Kleingarten und Vereinsstrukturen unkritisch so weiter. Welch verpasste Gelegenheit! Findet sich doch in der Gartenordnung eine solche Menge an gärtnerischem, bürokratischem und schwärmerischem Schwachsinn, dass sich damit eine wöchentliche Glosse füllen ließe, begleitet von Kommentaren, die über die Unfähigkeit derjenigen räsonnieren, die so einen Quark beschließen, und sich über die Naivität amüsieren, ihr Reformwerk werde in der Praxis ebenso detailverliebt umgesetzt, wie es zusammengeklaubt wurde.

Solange Kölner Stadt-Anzeiger, Express und Stadtrevue diese Fundgrube an Aufregern übersehen, werden wir uns an deren Stelle im Lauf des Gartenjahrs einigen Highlight-Paragrafen widmen. Lesen Sie in der nächsten Folge, was dem Kölner Stadtrat zum erstmals regulierten Thema „Fahnenmast“ in Kleingartenanlagen eingefallen ist. Nicht zu fassen :-!

Ihre Partei vernünftiger Argumente in den Grenzen der Sachkenntnis (PAGRESA)

  1. Interessanterweise erregt der Anblick des auf dem Cover dargestellten Pärchens wegen angeblicher Rollenklischeehaftigkeit bei mehr Betrachterinnen und Betrachtern Anstoß als der fehlende Großbuchstabe im Titel. Der fällt vielen gar nicht auf. ↩︎